Donnerstag, 28. April 2016

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin - Lilly Lindner


"Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" ist das fünfte Werk der Autorin Lilly Lindner, allerdings das erste Jugendbuch und auch bis jetzt als Einziges im Fischer Verlag erschienen. Die Geschichte erstreckt sich über 400  wunderbare Seiten.

So. Weiter weiß ich nicht. Nach diesem Buch fehlten mir die Worte, ich war sprachlos auf einem ganz neuen Niveau.
Das Buch ist in  Briefform geschrieben, die erste Hälfte besteht aus Briefen von Phoebe an April und die zweite Hälfte aus Briefen vom April an Phoebe. April, die ältere Schwester, ist krank, sie ist magersüchtig, und befindet sich zum Zeitpunkt des Buches in einer Klinik, während Phoebe sich Zuhause mit ihren Eltern und Aprils Abwesenheit zurecht finden muss.
Mehr kann und muss ich eigentlich zum Inhalt nicht sagen.

Kommen wir nun zum wirklich Wichtigen: Der Sprache.
Ich habe bis jetzt alle Bücher von Lilly Lindner gelesen und auch dieses ist wieder ein absolutes Meisterwerk. Ihre Sprache, ihr Art sich auszudrücken ist so präzise wie ein Messerstich, jedes Wort geht genau dahin, wo es hingehen soll. Sie erschafft Bilder mit ihren Worten, haucht ihren Charakteren Leben ein und reißt den Leser einfach mit.
Ich bin jedes Mal vom ersten Wort an gefesselt, verfolge jedes Wortspiel mit angehaltenem Atem und habe ab der zweiten Hälfte nur noch geweint.
In ihrem Buch schreibt sie über "Wortgewalt" und das ist genau das, was sie hat. Ihre Worte sind gewaltig, atemberaubend und ohne festen Boden. Sie schweben auf den Seiten wie Wolken am Himmel und vergegenwärtigen mir mal wieder, was Sprache ausmacht.
Und manchmal, an genau den richtigen Stellen, sind ihre Worte auch gewalttätig, sie bringen mich dazu, nach Atem zu ringen und ungläubig die Seiten anzustarren. Nicht nur ihre Themen, hier ist es Magersucht, in vorherigen Werken auch Vergewaltigung und Prostitution, sind echt harter Tobak, auch ihre Sprache ist es. Wie gesagt, manchmal wie Messerstiche. Direkt ins Herz.

Ich habe das Buch an einem Tag innerhalb weniger Stunden zu Ende gelesen, weil ich einfach nicht aufhören konnte. Ich war gefangen in der Welt von Phoebe und April, in der Welt ihrer Eltern und Fork, dem Hund. Besonders Phoebe verzaubert einfach von der ersten Sekunde an.
Und wie gesagt, die zweite Hälfte über habe ich geweint. Die Tränen liefen einfach, leise und gleichmäßig vor sich hin, weil diese Geschichte so unsagbar traurig ist, dass ich auch, nachdem ich das Buch beendet hatte, zuerst einmal nichts sagen konnte. Ich habe mich leer gefühlt, innerlich leer und wortleer.
Jedes Wort, was ich nach einem ihrer Bücher sage, kommt mir vor, wie eine Beleidigung der Sprache. Eine Beleidigung ihrer Bücher.
So etwas wie ihre Bücher habe ich noch nie in meinem Leben gelesen.
Jedes Einzelne ist ein Meisterwerk und so auch dieses hier.
Dieses Buch ist ein Meisterwerk der deutschen Sprache.

Zur Klassifizierung als Jugendbuch...muss nicht. Ich bin mittlerweile 19, also aus dem Jugendalter eigentlich raus, und ich finde durchaus, dass auch Erwachsene dieses Buch lesen können. Vielleicht haben diese sogar manchmal mehr Spaß an den rasanten Wortachterbahnen, durch die die Autorin den Leser so mühelos führt, dass mir alleine dadurch zwischendurch die Tränen in die Augen traten.

Ja, was soll ich sagen. Ich denke, man hat gemerkt, dass mir das Buch sehr gut gefallen hat. Jedes Buch von Lilly Lindner ist ein Erlebnis, das mir jedes Mal wieder zeigt, was wir für eine wunderbare Sprache haben. Diese Frau ist der Inbegriff von Schreibtalent und eine so große Bereicherung, dass ich es selbst mit ganz weit ausgestreckten Armen nicht zeigen könnte.





Bisher von Lilly Lindner erschienen:
Splitterfasernackt
Bevor ich falle
Winterwassertief
Da vorne wartet die Zeit
Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
Ab dem 2. Mai: Die Autobiographie der Zeit (Vorfreude ♥)